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EISENGALLUSTINTE

Seit frühbyzantinischer Zeit kennt man Eisengallustinte (früher Encaustrum genannt), eine metallische Tinte, die an ihrem rostbraunen Schimmer leicht zu erkennen ist. Diese anfänglich schwarze Tinte besteht meistens aus Eisenvitriol (Eisensulfat), Galläpfelabsud, Gummi arabicum sowie Wein oder Wasser.
Beim entsprechenden Mischen dieser Stoffe geht das Eisen(II)-Sulfat mit der Gerbsäure des Galläpfelabsuds langsam in ein Eisen(III)-Sulfat über. Die Eisenteilchen sind nun als kleinste feste Teilchen mit der Flüssigkeit verbunden und setzen sich allmählich am Boden des Gefässes ab. Das zugesetzte Gummi arabicum hat darauf die Aufgabe, diese kleinsten Eisenpartikelchen in der Schwebe zu halten. Erfahrungsgemäss bildet sich trotz Zusatz von Gummi arabicum immer wieder Satz im Tintenfass, der mittels eines kleinen Holzstäbchens, wie es zu jedem Tintengeschirr gehört, gelegentlich aufgerührt wird.
Der chemische Vorgang bei Verwendung einer solchen Tinte besteht also darin, dass eine schon einmal oxydierte Mischung auf dem Papier unter Einwirkung der Luft nochmals oxydiert und sich fest mit dem Papier verbindet.
Um eine solche Tintenmischung unmittelbar verwenden zu können, ist die sonst leicht wässrige Tinte mit einer nicht lichtechten Farbe, z. B. Amidoschwarz, zu tönen, was sich im Endeffekt auf Qualität und Aussehen des Dokumentes nicht weiter auswirkt. Vorsicht ist hingegen geboten, wenn über eine Zeichnung mit Eisengallustinte Aquarellfarbe aufgetragen werden soll. Dabei ist so lange zu warten, bis die Tinte oxydiert hat, in der Re­gel 1 bis 3 Tage, und dann beim Malen sorgfältig, ohne einen Pinselstrich zu wiederholen, zügig über die Tinte zu fahren.
Die Galläpfeltinte übertrifft hinsichtlich ihrer Fliesseigenschaft alle anderen Tinten und Tuschen bei weitem. Kaum eine andere Schreibflüssigkeit hält so lange an der Feder, ohne zu tropfen.

Eine mit genügend Gummi arabicum durchmengte Tinte reisst auch beim Auseinanderspreizen der beiden Füsse der Spitzfeder unter Druck nicht aus; zuviel Gummi arabicum bewirkt, dass die Tinte nicht mehr von der Feder fliesst. Es lassen sich ohne grössere Probleme Materialien beschreiben, bei denen andere Tinten und Tuschen anstelle von feinen Linien Tropfen bilden, da sie auf dem Material nicht haften können. Galläpfeltinte zeigt ihre vorzüglichen Eigenschaften besonders auf Ziegen- und Kalbspergamenten.
Die Tinte sollte nach Möglichkeit immer unverschlossen im Tintenfass aufbewahrt und, was verdunstet, durch neue ersetzt werden. Auch sollte des öftern der Bodensatz aufgerührt und der Inhalt von Staub und sonstigem Unrat gereinigt werden, dies nicht zuletzt dazu, dass die Tinte schon im Fass durch den Kontakt mit der Luft anoxydiert, was beim Schreiben von Dokumenten von Vorteil ist.
Flecken von Galläpfeltinte lassen sich schlecht entfernen. Es gibt kaum ein chemisches Mittel, das die Tinte entfernt, ohne auf dem Pergament oder dem Papier Schaden anzurichten.
Auf Pergament ist ein Flecken am besten mit einem Schreibmaschinen-Tintenradiergummi zu entfernen, da dieser den Untergrund am wenigsten verletzt. In Mitleidenschaft gezogene brauchbare Schriftzüge müssen nachgezogen werden. Anschliessend soll die radierte und neu beschriftete Stelle nach vollständigem Austrocknen der Tinte mit Nasentalg, den man durch Reiben am Nasenflügel gewinnt, wieder im Farbton und Glanz der Umgebung angeglichen werden. Auf dem Papier ist eine Korrektur nur mit dem Skalpell möglich. Die fehlerhafte Stelle wird zu diesem Zweck überschrieben, trocknen gelassen und anschliessend die noch sichtbaren fehlerhaften Schriftzüge mit dem Skalpell fein umfahren. Durch leichtes Anzupfen einer Ecke der zu entfernenden Stelle wird das Papier gespalten bzw. die oberste Schicht des Papiers an der fehlerhaften Stelle entfernt.
Es ist für ungeübte Hände nicht unbedingt ratsam, Fehler durch Schaben mit einem Messer zu entfernen, zumal sich an solchen geschabten Stellen aufgrund der entfernten Papierleimung kein neuer Buchstabe anbringen lässt. Auf Druckvorlagen lässt sich Galläpfeltinte mit Tipp-Ex flüssig nicht dauerhaft übermalen; zur Korrektur für die Reproduktion genügt es jedoch vollends.
Galläpfeltinte hat eine 100 %ige Lichtechtheit. Man schreibt damit also sozusagen für die Ewigkeit.
Durch das Radieren der mit Bleistift gezogenen Vorlinierung verliert die Galläpfeltinte etwas von ihrem bestechenden schwarzen Seidenglanz, der besonders auf Pergament seine volle Wirkung entfaltet. Er kommt jedoch allmählich wieder zum Vorschein.
Nach Jahren bekommt der geschriebene Text eine sichtbare rostbraune «Aura», die sich nach Jahrhunderten über die ganze Schrift zieht.

GALLÄPFELTINTE

zutaten_eisengallustinte

Abb.47:
Zutaten für die Eisengallustinte:
Links oben: Rohes Gummi arabicum, unten: Eisengallustinte.
In den Schalen: oben pulverisierte Galläpfel, unten Eisensulfat.
Rechts oben: Eichenlaub mit Gallapfel, unten: Gallapfel.

Zutaten:

Eisensulfat (Ferrosulfat, Eisenvitriol)
Dieses Eisensalz von türkisblauer Farbe ist in jeder Apotheke zu günstigem Preis erhältlich und sollte trocken gelagert werden.

Galläpfel
sind durch den Einstich von kleinen Schlupfwespen an jungen Blattknospen, Blättern oder neben den Früchten verschiedenster Eichenarten entstandene krankhafte Auswüchse. Diese sind auch bei uns im Spätsommer zu finden, erfahrungsgemäss in der Nähe von stillen Gewässern, beispielsweise auch an Eichen in Freibädern. Die Gallwespe, die mit ihrem Legestachel die Eier im Frühling in die noch jungen Pflanzenteile legt, bewirkt bei der Eiche einen vermehrten Saftfluss (Gerbstoffe) an dieser Stelle. Durch die Bildung neuer Zellen wird die krankhafte Stelle vom unverletzten Zellgewebe der Eiche getrennt. In den dadurch entstandenen Auswüchsen, den sogenannten Galläpfeln, bilden sich die Eier zu Larven heran, um schliesslich als Insekten die Apfelwand zu durchbrechen und auszuschlüpfen.
Werden die Galläpfel vor dem Ausschlüpfen der Wespe geerntet, so erhält man unbeschädigte schwarze oder grüne Exemplare, nach dem Ausschlüpfen braune, gelbe oder weisse Galläpfel.
In der Apotheke bekommt man bereits gepulverte oder auf Verlangen ganze Galläpfel.

Gummi Arabicum
Der aus der Rinde von Nadelbäumen ausgeschiedene Stoff, das Harz, ist nicht wasserlöslich. Gummi arabicum wird jene wasserlösliche, arabinhaltige Flüssigkeit genannt, die aus den tropischen Alazienarten Nordafrikas gewonnen wird. Es ist in kugeligen, blassgelben bis bräunlichgelben Stücken oder gepulvert in Drogerien und Apotheken erhältlich.
Kirsch-, Pfirsich-, Aprikosen und Pflaumengummi sind ebensogut verwendbar. Der natürliche Gummifluss an europäischen Steinobstbäumen kann, von der Rinde gesammelt, getrocknet und anschliessend pulverisiert, die gleichen Dienste wie Gummi arabicum leisten.
Da siese Gummiarten oft mit Schmutz und Rindenstücken durchsetzt sind, lösen wir über Nacht 1 Teil Gummi in 2 Teilen Wasser.
Der sämige Gummischleim wird erwärmt und leicht durch einen abgebundenen Nylonsrumpf gepresst, anschliessend nach Bedarf wieder eingedickt und getrocknet. Gummilösungen neigen zum Säuern; dies kann verhindert werdn, indem wir 6gr Borax in 125ml heissem Wasser lösen und mit einem Liter Gummilösung mischen.

Wein
Die Beimischung von etwas Rotwein zur Tinte lässt diese dank der guten Oberflächenspannung des Weins leichter von der Feder fliessen und schützt darüber hinaus vor Schimmelbefall. Der Wein sollte aber erst ganz am Schluss beigefügt werden.

Regenwasser
In alten Rezepten wird immer wieder auf das Regenwassser hingewiesen, doch würde ich in Anbetracht der heutigen Luftverschmutzung besser davon absehen.
Die besten Resultate in puncto Fliesseigenschaft und Elastizität erzielt man mit frischem Quellwasser oder mit ungesäuertem Mineralwasser, das in einem Zinngefäss aufbewahrt wird.

Abb. 48. Zutaten für Eisengallustinte

eisengallustinte

Zubereitung:

160 Teile Galläpfel, 160 Teile Wasser

Die Galläpfel werden grob gepulvert, mit dem Wasser vermengt und in einem Gefäss bei 20 -25°C 8 – 10 Tage stehen gelassen, bis das Ganze vollständig von Schimmel durchsetzt ist. Während dieser Zeit rührt man täglich und ersetzt das verdunstete Wasser. Dann mischt man das Ganze in einem irdenen Gefäss mit 800 Teilen Wasser, 100 Teilen kristallisiertem Eisensulfat, 20 Teilen Gallsäure und 7 Teilen Schwefelsäure, erhitzt alles bis zum Sieden und kocht es eine halbe Stunde. Danach siebt man es durch und kocht den Rückstand nochmals mit 200 Teilen Wasser auf. Nach erneutem Durchsieben stellt man die Tinte 8 Tage an einen kühlen Ort, um sie anschliessend nochmals zu filtrieren. Das Ganze wird mit gekochtem, aber kaltem Wasser auf 1000 Teile ergänzt. Man bewahre diese Tinte gut verkorkt an einem kühlen und dunklen Ort auf.

ALTES REZEPT EINER GALLÄPFELTINTE:

60 Teile zerstossene Galläpfel
32 Teile Gummi arabicum
32 Teile Eisensulfat

50 Teile rohen Holzessig
950 Teile Wasser

In einem offenen Gefäss werden die Galläpfel mit der Hälfte des Wassers kalt übergossen. In der anderen Hälfte des Wassers löst man das Eisensulfat, den Gummi arabicum und den Holzessig, mischt alles zu den Galläpfeln und lässt das Ganze, lose bedeckt, unter täglichem Umrühren 6-8 Wochen an der Luft stehen.
Nach einigen weiteren Tagen völliger Ruhe füllt man die Tinte in Flaschen ab. Der Rückstand kann zu einem neuen Tintenansatz mitbenutzt werden.

«RECEPT, GUTE DINTEN ZU MACHEN»

Nimm 2 Mass sauber Regenwassser in ein sauberen Dintenhafen. Tue darein 18 Lod schwarzen Gallus, grob gestossen und den Staub davon gesiebt. Lass also drei Tag und Nächt stehen. Alsdann tu darein 8 Lod Vitriol und ein Lod Alaun samt einem Glas voll Essig und ein Löffel voll Salz. Rühre es wohl untereinander. Stelle den Hafen Sommerzeits an die Sonne, im Winter aber auf einen warmen Ofentritt, vierzehn Tage lang und alle Tage einmal umgerührt. Gibt eine usbündig schöne schwarze Dinten.

(Andreas Behem, Klagenfurt 1716)

1 Mass = 1,67 l
1 Lod = 15,8 g

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